Der Verein
Trauer begegnet jedem von uns irgendwann einmal im Leben. Der akute Trauerfall ist keine psychische Erkrankung, aber oftmals ein Wendepunkt im eigenen Leben mit existenziellen Fragestellungen. Der·die Trauernde sieht sich plötzlich einer grundlegend veränderten (Lebens-)Situationen mit völlig neuen Paradigmen ausgeliefert und es ist schwierig, auf eigene Ressourcen zurückzugreifen. Die Welt eines trauernden Menschen steht Kopf. Wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden, obwohl der- oder diejenige aufgrund der emotionalen und psychischen Ausnahmesituation gerade dazu nicht in der Lage ist.
Trauer ist ein natürlicher Prozess, der Zeit und Raum braucht. In unserer heutigen Zeit fehlt es oft gerade daran. Das Verständnis für die Ausnahmesituation, in der sich ein trauernder Mensch befindet, sinkt oft mit jedem Monat. Trauernde erleben sich daher häufig allein gelassen, orientierungslos, verzweifelt und handlungsunfähig.
Menschen in diesem Prozess zu begleiten, ihnen Zeit und Raum geben, aber auch praktische Unterstützung zu gewähren ist Aufgabe des "Hellen Hauses". Die Möglichkeit in Gemeinschaft aufgehoben zu sein, gleichzeitig aber auch Gelegenheit zum Rückzug zu haben, wissend, dass Begleitung jederzeit möglich ist, schafft eine Entlastung, die gesunde Trauerprozesse erleichtern kann.
Unser Angebot richtet sich an alle Menschen, die unter dem Verlust einer nahestehenden Person leiden und Unterstützung im Trauerprozess suchen. Es werden auch explizit Familien mit Kindern angesprochen, die Unterstützung als Familiensystem brauchen, um die unterschiedlichen Bedürfnisse einzelner Familienmitglieder zu erfüllen.
Dabei ist es nicht relevant, wie lange ein Verlust bereits her ist. Trauer verläuft nicht linear und es ist möglich, dass auch Jahre nach dem Tod eines Menschen ungelöste Fragestellungen und eine besondere Belastungssituation entstehen. Jederzeit dürfen unsere Gäste auch andere Angehörige zu Besuch empfangen, ggf. können wir eine Unterkunft auf dem Gelände organisieren, wenn dies für die Gäste eine Verbesserung der eigenen Situation bedeutet.
Jede Altersklasse ist willkommen. Eine Aufenthaltsdauer von mindestens 2 Tagen bis höchstens 3 Monate ist möglich.
Unsere Ziele sind
- Emotionale Unterstützung und Begleitung Hinterbliebener
- Versorgung der Grundbedürfnisse, Unterstützung z.B. bei der Nahrungszubereitung, Tagesstruktur etc.
- Hilfe bei der Entwicklung von neuen Lebensperspektiven
- Vermittlung von weiterführender Unterstützung, z.B. Rentenberatung, Antrag auf Wohngeld, Anträge für Reha-Maßnahmen, Vermittlung von Steuerberatung etc.
- Soziale Interaktion in der Gruppe
- Gelegenheiten zum Rückzug, Schaffen des passenden Raumes für akute Bedürfnisse
- Die Möglichkeit, das gewohnte und emotional eventuell belastete Umfeld temporär zu verlassen, um in Ruhe überlegen zu können, wie die zukünftige (Wohn-)Situation aussehen soll
- Unterstützung als Familie, Freiräume schaffen für Eltern
- Rituale finden, die dem eigenen Trauerprozess Ausdruck verleihen und nach dem Aufenthalt ggf. weitergeführt werden können
Zunächst soll ein Haus für Trauernde entstehen, das max. 7 Menschen in Trauer einen Lebensraum auf Zeit bietet. Die Aufenthaltsdauer ist dabei zunächst nicht festgelegt. Eine kurze Auszeit über ein verlängertes Wochenende ist genauso möglich wie ein längerer Aufenthalt von max. 3 Monaten, in Einzelfällen auch länger. Es wird auch möglich sein, immer wieder ins Haus zurückzukommen, beispielsweise, wenn sich Todes- oder Geburtstage jähren oder die Weihnachtszeit das eigene Trauern stark belasten. Auch regelmäßige Nachsorge-Wochenenden sind geplant sowie Seminare zum Thema Trauer, somatische Körperarbeit, Kreativität in krisenhaften Lebensprozessen. Dafür werden wir neben unserer eigenen Kompetenz auch regelmäßig externe Seminarleiter·innen einladen.
Im Hellen Haus steht tagsüber immer mindestens ein·e Ansprechpartner·in zur Verfügung. Eine Rufbereitschaft ist 24 Stunden erreichbar. So können akute Krisen möglichst zeitnah aufgegriffen werden. Der·die diensthabende Betreuer·in ist außerhalb der Kernzeit kurzfristig zu erreichen. Gleichzeitig steht aber auch die Gruppe selbst als Ressource zur Verfügung. Verbunden durch eine ähnliche Lebenssituation und eigene Kompetenzen gibt sie Halt und schafft einen verbindlichen sozialen Rahmen. Um diesen Zusammenhalt zu stärken und zu fördern, gibt es über den Tag verteilt unterschiedliche Angebote:
- ein gemeinsamer Kreis am Morgen
- Qi Gong
- weitere Gesprächskreise
- Kreativangebote
- gemeinsames Kochen
- die Möglichkeit, gemeinsam im Garten zu arbeiten
Auch eine tiergestützte Arbeit ist in Planung. Einzelgespräche sind ebenso bei Bedarf möglich. Wichtig ist dabei, dass alle Angebote freiwillig sind und die Gäste die Möglichkeit haben, sich bei Bedarf völlig zurückzuziehen. Im Prinzip möchten wir eine "Familie auf Zeit" schaffen, in der jede·r den Platz finden kann, den sie·er momentan benötigt.
Anders als zum Beispiel in Reha-Kliniken soll der Tag nicht von vornherein durchgetaktet sein, sondern stark von den Bedürfnissen der jeweiligen Gäste gestaltet werden. Trauer an sich ist keine psychische Erkrankung, sondern ein natürlicher und wichtiger Prozess nach einem schmerzhaften Verlust. Die Anbindung an Ärzt·innen und Psycholog·innen vor Ort ist geplant, falls der Bedarf der Gäste über unsere Möglichkeiten hinausgeht. Dies gilt auch für Beratungsangebote zur Beantragung von Hinterbliebenenrenten etc.
Die Lage des Hauses mitten in der Natur schafft Möglichkeiten, diese als heilende Unterstützung zu nutzen. Direkt in der Umgebung sind Spaziergänge möglich, kein Verkehrslärm beeinträchtigt zusätzlich den Nachtschlaf. Die Grundbedürfnisse nach Nahrung, die wir gemeinsam zubereiten, Ruhe, Gemeinschaft und Rückzug können jederzeit befriedigt werden. Es soll ein Ort entstehen, in der die Welt kurz anhält, der Alltag zurücktritt und es ausschließlich um die Bedürfnisse der Gäste geht, damit diese gestärkt und mit anderen Perspektiven wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können. Auf diese Weise bieten wir eine wichtige Präventionsmaßnahme an, die dazu beiträgt, natürliche und gesunde Trauerprozesse zu fördern und die Wahrscheinlichkeit von daraus resultierenden psychischen Erkrankungen zu reduzieren.
Ausdrücklich bieten wir keine klassische therapeutische Arbeit an, sondern verstehen uns und unser Konzept als Möglichkeit, die Lücke, die es zwischen den bereits vorhandenen unterstützenden Möglichkeiten gibt, zu schließen und Trauer als wichtigen, aber völlig normalen Prozess zu sehen. Ein Aufenthalt im Hellen Haus kann ebenfalls eine Ergänzung zu psychotherapeutischen Angeboten sein und in Abstimmung mit der·dem jeweiligen Therapeut·innen erfolgen. Er ersetzt keine Psychotherapie und selbstverständlich auch keine ärztliche Behandlung. Die individuelle Betrachtung der einzelnen Lebenssituationen ist, anders als in Kliniken mit vorgeformten Abläufen, wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit und findet in der sehr begrenzten Platzzahl bereits Beachtung. Abseits von grundlegenden Strukturen ist das Angebot jeweils mit den jeweils anwesenden Gästen abzustimmen und wird von der Gruppe mitgestaltet.